Leben im Stadtteil

Leben im Stadtteil

Den Bogen spannen, um zu entspannen

„Meditatives Bogenschießen bedeutet das ‚Sein’ mit der Konzentration auf den Augenblick“, so Monika Reuss, die eine langjährige Unterrichtserfahrung in Qigong und meditativem Bogenschießen hat.

Gemeinsam mit dem Meditationshaus „Gartenetage“ Externes Angebothatte sie zu einem Seminar für meditatives Bogenschießen mit Langbögen und Qigong eingeladen.

In dem Licht durchfluteten Meditationsraum der Gartenetage, in dem in der Mitte als Ruhepunkt für das Auge eine Schale mit Blumen und Gräsern stand, saßen wir auf Meditationskissen oder -bänken. 
Der Seminartag begann mit einer kurzen Einführung von Monika Reuss, die erklärte, dass es beim Bogenschießen weder um Leistung noch um Erfolg gehe, sondern um gleichzeitige Konzentration und Entspannung, als Kern des „Kyudo“ (jap. „Weg des Bogens“).

Mit dem Gong einer Klangschale leitete Monika Reuss die Meditation ein, in der wir durch Konzentration auf unseren Atem unsere Mitte finden sollten.
Bei strahlendem Sonnenschein ging es in den Garten zu ersten Qigong-Übungen, die eine enge Verbindung zum Zen-Bogenschießen haben.

Der linke Unterarm wurde mit einer Ledermanschette geschützt, die rechte Hand bekam einen Fingerschutz, um Verletzungen durch den Bogen vorzubeugen. Wir bekamen einen Bogen und fünf Pfeile. Die „Meisterin“ saß am Rand des Feldes. Sie schlug die Klangschale, die Schützen verbeugten sich, gingen im Halbkreis zur „Meisterin“ und verbeugten sich erneut, ein weiterer Schwenk und alle nahmen die Schussposition ein. Seitlich zur Scheibe, dreimal tief atmen, mit dem vierten Einatmen den Bogen heben und die Sehne so lange spannen, bis die Fingerspitzen den rechten Mundwinkel berühren, dann die Sehne von den Fingerspitzen „rollen“ lassen, der Pfeil ist auf dem Weg, der Körper entspannt sich.

Monika Reuss erklärt: „Zielen ohne zu zielen trifft am besten den Kern der Übung, die Vertrauen schafft, Mut und Klarheit fördert sowie Achtsamkeit und die Ausrichtung auf das innere Lot“. 
„Mit dem rechten Maß an Kraft sowie der Dynamik von Ein- und Ausatmung bewegt sich der Bogenweg zwischen zielgerichteter Anspannung und wohltuender Entspannung“.

Dieser Tag ging viel zu schnell zu Ende. Mit der Bitte an Monika Reuss im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder zu kommen - möglichst für ein ganzes Wochenende, verabschiedeten sich die TeilnehmerInnen.

Elke Dittmar

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„Wenn die Spannung erfüllt ist, muss der Schuss fallen …“

Sommerprogramm im eigenen Stadtteil? Das ist in Schwachhausen nicht nur Radeln, im Grünen sitzen und Open-Air genießen.
Ich wollte einmal etwas ganz anderes erleben: Ich durfte einen Tag lang in der „Garten-Etage“ den Weg nach meinem eigenen „Innen“ suchen.
In diesem Meditationshaus gleich hinter der „Grenze“ von Schwachhausen zu Horn trafen wir acht Gleichgesinnten uns zum ZEN-Bogenschießen. Stellen wir uns darunter bitte keine Kampfsportart vor. Ganz im Gegenteil: Es ist ein Akt der Ruhe, bei dem unter Anleitung QiGong und ZEN-Bogenschießen miteinander auf Geist und Seele wirken. Gesprochen wird untereinander nicht; nur die Erklärungen und Anleitungen kommen von der Leiterin.

„Nur wenn Sie wahrhaft losgelöst von sich selbst sind, spüren Sie ES. Dabei ist alles so einfach … . Wenn die Spannung erfüllt ist, muss der Schuss fallen – er muss vom Schützen abfallen, wie die Schneelast vom Bambusblatt …“ . So schrieb Eugen Herrigel in seinem Klassiker „Zen in der Kunst des Bogenschießens“. „Zielen ohne zu zielen“, mit Körper und Geist loslassen, den Pfeil schießen aus der Mitte heraus, das ist die Essenz des meditativen Bogenschießens.

Für mich war es das zweite Mal, dass ich mich auf diese neue „Sportart“ einließ. Wobei, wie gesagt, der Begriff nicht wörtlich zu nehmen ist. ZEN-Bogenschießen ist ein Weg nach innen. Völlige Konzentration ist gefordert, kein Wettkampf, nicht unter Stress und schon gar nicht auf Befehl. Denn oberstes Ziel sind nicht das Schiessen auf die Scheibe und die erreichte Punktzahl; der Bewegungsablauf ist Mittel zum Zweck, um selbst so zur Ruhe zu kommen, dass der gesamte Vorgang in völliger Harmonie abläuft.

Eine wichtige Rolle spielt dabei unsere Atmung, die wir sonst im Alltag gar nicht bewusst wahrnehmen. Einige Minuten, bevor der Bogen überhaupt gehoben wird, fixiere ich mich auf meinen Atem. Und erst dann, wenn ich ganz zur Ruhe gekommen bin, lege ich den Pfeil an, hebe Pfeil und Bogen, ziehe langsam und konzentriert die Sehne und komme zum Schuss. Alle Bewegungen werden bedächtig und ruhig ausgeführt; ich höre dabei ganz auf mein Atmen. Alles andere ist ausgeschaltet, die Gedanken, die uns sonst beschäftigen, sind weggerückt.

War es vor einem Jahr für mich noch erstaunlich, dass wir am Ende des Tages sogar mit geschlossenen Augen „zielen und treffen“ konnten, so kam in diesem Jahr das Erleben hinzu, dass ich die Scheibe sogar traf, wenn ich zunächst – den Bogen unten haltend – die Scheibe nur anvisierte und dann – ohne zu zielen - den Bogen hob und den Pfeil auf die Reise schickte. Ein unglaubliches Gefühl und ein ganz tiefes Erleben … .

Gisela E. Walther

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