v.l.n.r.: Henning Scherf, Libuse Cerna (Moderation),
Bernd Neumann, Olaf Dinné
Mit diesem (angeblichen?) Zitat von Gerd Settje
aus den 60er Jahren hatte Olaf Dinné die Aufmerksamkeit
des Publikums und die Lacher auf seiner Seite.
Dinné, Henning Scherf und Bernd Neumann waren zu Gast im
Focke-Museum, wo sie im Rahmen der laufenden Ausstellung „Protest
+ Neuanfang - Bremen nach 68“ unter der - nicht immer klar
strukturierten - Moderation von Libuse Cerna die Bremer Politik
der 1960er und 70er Jahre diskutierten.
Dinné erinnerte sich noch genau an die
Großveranstaltung mit Rudi Dutschke in seinem Club „Lila
Eule“: „Der Laden war voll und Dutschkes Worte wurden
auch noch live nach draußen übertragen!“
Dutschkes Besuch und Rede erhöhten letzlich die Motivation
für viele Schüler, 1968 auf die Straße zu gehen
und gegen die Tariferhöhung bei der Bremer Straßenbahn
zu protestieren. „Es waren vornehmlich Jungs, zumeist Schüler,
nur wenige Studenten, denn die Uni Bremen gab es noch nicht“,
betonte Henning Scherf. „Die Frauenbewegung kam erst Ende
der 70er Jahre richtig zum Zuge.“ Und was motivierte die
Schüler? „Sie lösten sich vom Elternhaus, erkämpften
sich Freiräume, protestierten gegen Schule, Lehrer und Schulleitungen
und probten letztlich den Aufstand auch gegen den Bremer Senat“,
erläuterte Scherf. „Aber es waren natürlich nicht
alle Schüler“, beeilte sich Bernd Neumann zu
versichern. „Und wir in der CDU verstanden uns damals eher
als Gegenbewegung, wobei die Partei auch gerade einen Reformprozess
durchmachte.“
Natürlich war auch die Gründung der
Universität in diesen Jahren ein Thema der Diskussion: „Wer
hätte gedacht, dass sie sich von der ,Roten Kaderschmiede‘
von damals zur Exzellenz-Uni von 2018 entwickeln würde“,
freute sich Henning Scherf über ihren nicht immer einfachen
und anfangs ziemlich konfliktträchtigen Werdegang.
Nicht außen vor blieb auch der damals sehr
linke Sender Radio Bremen: „Der hieß damals im Volksmund
Radio Hanoi, verunglimpfte in seinen Beiträgen den Papst
ebenso wie die Bundeswehr“, erzählte Bernd Neumann.
„Die Parteibasis der SPD forderte damals
mehr Demokratie und trat vehement für ihre Interessen und
die der Bevölkerung ein“, berichtete Olaf Dinné.
„Nicht nur der Vietnamkrieg forderte zum Protest heraus,
auch die geplante Mozarttrasse mit dem absehbaren Kahlschlag und
Neubau in den gewachsenen Wohnstraßen des Viertels.“
Und das Volk siegte: Der damalige Bausenator Seifritz musste zurücktreten
und die Mozarttrasse wurde nie gebaut.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion bat Libuse
Cerna um Fragen aus dem Kreis der zahlreich erschienenen Zuhörer,
bekam aber nur wenig Resonanz. Neben einigen Statements ohne Fragecharakter
ging es plötzlich abweichend vom Thema um aktuelle Themen
wie Bildungspolitik oder die Anbindung des Güterverkehrszentrums
an das Autobahnnetz. Natürlich konnten die nicht mehr aktiv
in die politischen Prozesse eingebundenen Politiker auch dazu
etwas sagen, aber nicht alle Besucher der Veranstaltung waren
mit dieser Wendung des Abends einverstanden.
Nachdem es gelungen war, mit dem Thema Radikalenerlass noch einmal
zum Ursprungshema zurückzukehren, schloss Cerna die Diskussion
mit einem herzlichen Dank an die Gesprächsrunde, das gastgebende
Focke-Museum sowie das interessierte Publikum.
Die beteiligten Personen:
Henning Scherf, ehemaliger Bürgermeister
der Hansestadt, war ab 1971 Bürgerschaftsabgeordneter, später
Senator und immer Zentrum des politischen Geschehens. Auch der
ehemalige Lehrer und spätere Kulturstaatsminister Bernd
Neumann begann 1971 seine politische Karriere in Bremen,
lange Jahre war er Wortführer der Opposition in der Bürgerschaft.
Olaf Dinné engagierte sich schon seit den frühen
1960er Jahren in Bremer Bürgerinitiativen. 1979 zog er mit
der Bremer Grünen Liste in die Bürgerschaft ein. Moderatorin
Libuse Cerna ist Vorsitzende des Bremer Rates für Integration.