Ein ziemlich ungewöhnlicher Weg war es, der zwischen 1918
und 33 Deutschland ziemlich abrupt vom Obrigkeitsstaat in die
Moderne führte, ein ungewöhnlicher Weg ist es auch,
den die Besucher der Ausstellung „Experiment Moderne - Bremen
nach 1918“ im Focke-Museum zurücklegen müssen.
Auf ca. 1000 qm erstreckt sich die Ausstellung auf zwei Ebenen
fast durch das gesamte Haus und führt den Betrachter aus
dem Foyer vorbei an einem alten Goliath „Pionier“
durch das Schaumagazin mit Modellen etlicher Schiffe aus dieser
Zeit, treppauf an dort drapierten Todesanzeigen aus dem 1. Weltkrieg
vorbei zur Novemberrevolution mit ihrer Räterepublik hin
zum „modernen“ Bremen der 1920er Jahre mit seinen
Errungenschaften wie Motorrädern und Autos, dem Überseedampfer
BREMEN und der Unterhaltungsindustrie mit Varieté (Astoria)
und dem Aufkommen des Rundfunks. Als „Leit-Planken“
dienen in den ersten beiden Räumen blaue hölzerne Barrieren,
später wird der Besucher durch die durchgehend blaue Farbe
der Info-Stelen geführt.
Im Sonderausstellungsraum angekommen teilt sich die Ausstellung
in drei Zeitabschnitte:
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Unter dem Titel Revolution und Gegenrevolution
(1918 bis 1923) geben eindrucksvolle Exponate, imposante
Großaufnahmen, Hörbeispiele und erläuternde Texte
einen Eindruck vom Beginn der Revolution bis zur Inflation von
1923, der letzten großen Krise der Nachkriegszeit.
Im Ausstellungsteil Glanz und Elend der
Goldenen Zwanziger Jahre (1924 bis 1930) werden herausragende
Einzelaspekte der Stadtgeschichte aus Architektur, Kunst und Unterhaltungskultur,
aber auch wirtschaftliche und technische Höhepunkte und Niederlagen
der Zeit atmosphärisch in Szene gesetzt. „Die 20er-Jahre
waren eine Zeit, in der sich viele Aspekte unserer modernen Lebenswelt
herausbildeten - eine Epoche mit großem innovativem Potential,
zugleich gekennzeichnet von unüberbrückbaren sozialen
und politischen Gegensätzen,“ so Kurator Dr. Jan Werquet.
Exemplarisch werden an Einzelbiographien aus allen gesellschaftlichen
Milieus verschiedene Lebenswelten der Zeit aufgezeigt.
Der dritte Ausstellungsbereich Krise
der Moderne (1930 bis 1933) zeigt den Niedergang eines
an Liberalismus und Demokratie geknüpften Moderne-Begriffs
mit dem Aufkommen und der letztendlichen Machtübernahme des
National-sozialismus.
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Im partizipativen Raum „Streit um die Erinnerung“
wird am Beispiel von vier Denkmälern aufgezeigt, wie Geschichte
interpretiert und instrumentalisiert wurde und wird. Der Raum
lädt zur Reflektion über die Geschichte und unseren
Umgang mit ihr ein, Besucherinnen und Besucher können miteinander
in den Dialog treten und ihre Meinung auf Pinnwänden hinterlassen.
Familien mit Kindern ab acht Jahren bietet das Museum ein Mitmachheft
an. Zusammen mit den fiktiven Geschwistern Frieda und Franz gehen
sie in der Ausstellung auf Entdeckungsreise und müssen einige
Rätsel lösen. Für jede gelöste Aufgabe dürfen
sie einen Sticker ins Heft kleben. So erfahren Kinder spielerisch,
was es bedeutete, als Kind die turbulenten 1920er-Jahre in Bremen
mitzuerleben. Das Mitmachheft ist für 1 € an der Kasse
erhältlich.
Ergänzend zur bis zum 2. Juni 2019 laufenden Ausstellung
gibt es ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm: dialogische
Führungen zu unterschiedlichen Themen der Ausstellung, satirische
Führungen mit Pago Balke, Vorträge und Thementalks,
Konzerte und Liederabende, szenische Lesungen mit der Shakespeare
Company, Stadtrundgänge, Museumsgespräche, Familienführungen
und ein museumspädagogisches Angebot für Schulen.
Text: Joachim Kothe & Focke-Museum
Fotos: Joachim Kothe
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