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„Germanien ist eine Erfindung der Römer“
Diese - im Prinzip unter Fachleuten nicht neue - Erkenntnis steht noch einmal deutlich am Ende des Rundgangs durch die Sonderausstellung „Graben für Germanien - Archäologie unterm Hakenkreuz“, die im Bremer Focke Museum vom 10. März bis zum 8. September 2013 gezeigt wird.
„Seit 2010 forschen Wissenschaftler des Museums um Prof. Dr. Uta Halle und Dr. Dirk Mahsarski in Kooperation mit dem Institut für Geschichtswissenschaft der Uni Bremen und der Bremer Landesarchäologie im Projekt ‚Vorgeschichtsforschung in Bremen unter dem Hakenkreuz‘ “, erläutert die Museumsdirektorin Dr. Frauke von der Haar.
„Mit ,Germanien' verbinden sich bis heute verschiedenste Vorstellungen und Assoziationen - dabei gab es kein Volk, das sich selbst Germanen nannte oder seine Heimat als Germanien bezeichnete", berichtet Dr. Karin Walter, Kuratorin und Leiterin des Ausstellungsprojekts, "die Römer hatten diese Bezeichnung für die auf der rechten Rheinseite lebenden Bevölkerungsgruppen erfunden."
Während der Zeit des Nationalsozialismus arbeiteten Archäologen der Politik selbstständig zu und lieferten vermeintlich wissenschaftliche Belege für eine germanische Hochkultur und ihr großes Siedlungsgebiet. Diese Belege nutzte das NS-Regime, um die eigene Überlegenheit zu beweisen und Besitzansprüche auf Territorien in den Nachbarländern zu legitimieren. Mit Kriegsbeginn 1939 waren Archäologen schließlich in allen von den deutschen Truppen eroberten Gebieten, von Norwegen bis Griechenland, von Frankreich bis in den Kaukasus, tätig.
Bis heute werden ideologisch aufgeladene Vorstellungen, Zeichen und Symbole in der rechten Szene weiter propagiert, Versatzstücke des nationalsozialistischen Germanenbildes finden sich immer wieder in den Massenmedien, in der rechtsextremen Jugendkultur und in verschiedenen Musikszenen. Das Internet erleichtert und beschleunigt die weltweite Verbreitung und Vermarktung rassistischer Ideologien immens.
Die Ausstellung greift somit ein aktuelles gesellschaftspolitisches Thema auf, das die Ursprünge der Vorstellungen von „Germanien“ mit der Gegenwart verknüpft.
Sie stellt in 5 Sektionen auf 800 Quadratmetern 750 Exponate aus, wobei es sich allerdings nur zum Teil um Realgegenstände handelt. Der Besucher sollte Zeit mitbringen und bereit sein, viel zu lesen (oder am ausgeliehenen iPod zu hören), damit sich ihm das ungewohnte Thema wirklich erschließt. Die Sonderausstellung eignet sich daher nicht unbedingt für einen kurzweiligen Museumsbesuch mit den Kindern an einem regnerischen Nachmittag.
Wer sich allerdings noch intensiver mit der Thematik befassen möchte, kann dies anhand einer Fülle von Veranstaltungen tun, die von der Kinder-Uni über Vorträge, Führungen - auch satirischen - und Filmen bis zu Fahrradtouren mit dem ADFC reichen.
Joachim Kothe
Eine Fotostrecke gibt's hier.
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