„Jeder kennt irgendwie »Cabaret« und Melodien aus dem Stück. Das Musical hat einen hohen Unterhaltungswert, aber natürlich auch einen tieferen und leider auch wieder sehr aktuellen Hintergrund. Wenn wir ein Musical auswählen, ist das noch gar nicht im Fokus, es ergibt sich dann Ieider so, dass sich die politische Lage plötzlich so verändert und unser Stück dann noch aktueller ist. Das war bei »Napoleon« schon so. In dem Musical war der Fokus auch bei Krieg und Frieden und aus Napoleons Eroberungsfeldzügen ergab sich die Frage: Ist das in Ordnung? Heiligt der Zweck die Mittel? Dann kam die Ukraine-Krise und man dachte sich: Als hätten wir das dafür ausgewählt. Und jetzt mit dem Israel/Palastina-Krieg sind wir natürlich auch wieder in einer Aktualität, die so nicht geplant war."
Soweit die Regisseurin Nina Arena- zitiert aus dem Programmheft -, die nunmehr das fünfte Musical am Kippenberg Gymnasium mit gestaltete.
Doch worum geht es in der unterhaltsamen, aber auch zum Nachdenken anregenden Geschichte?
Berlin zu Beginn der 1930er Jahre. Cliff Bradshaw, ein junger amerikanischer Schriftsteller, reist nach Berlin, um dort einen Roman zu schreiben. Durch die Bekanntschaft mit Ernst Ludwig kommt er in der Pension des ältlichen Fräulein Schneider unter. Über Ludwig lernt Cliff auch den Kit-Kat-Club kennen, wo er die englische Sängerin Sally Bowles trifft. Sie ist der Star der Show – und dies nicht nur wegen ihres künstlerischen Talents. Als Sally entlassen wird, nimmt sie Zuflucht in Cliffs Pensionszimmer, und die beiden werden ein Paar.
Auch zwei anderen Pensionsbewohnern begegnet, wenn auch spät, das Glück. Herr Schultz wirbt erfolgreich um Fräulein Schneider. Doch als sich auf
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der bald folgenden Verlobungsfeier herausstellt, dass Schultz Jude und der als Gast anwesende Ernst Ludwig Nationalsozialist ist, kann Fräulein Schneider sich der heraufziehenden vergifteten Atmosphäre nicht entziehen. Die Verlobung wird gelöst; Herr Schultz verlässt die Pension. Nach diesem Vorfall möchte Cliff Deutschland verlassen, wohingegen Sally weiter von ihrer großen Karriere in Berlin träumt. Als sie das gemeinsame Kind abtreibt, hält den Amerikaner nichts mehr. Die Zurückbleibenden aber sehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Die vom Ragtime und frühen Jazz inspirierte Musik Kanders sowie die durch Masteroff eingefügten revueartigen Nummern im Kit-Kat-Club, die die Handlung einrahmen, bilden eine Reminiszenz an die Musicals der 1920er Jahre. (Quelle: Wikipedia)
Schwungvoll und doch immer von eher nachdenklichen Dialogen unterbrochen gestaltete sich der höchst unterhaltsame Theaterabend vor ausverkauftem Haus in der Aula des Kippenberg Gymnasiums:
Julian Franzius mimte sehr glaubhaft den erfolglosen amerikanischen Schriftsteller Clifford Bradshaw, der mit Koffer und Schreibmaschine nach Berlin kommt um einen Roman zu schreiben. Hannah Struwe als Sally Bowles verkörperte das zwischen der Glitzerwelt des Kit-Kat-Club und ihrer Liebe zu Clifford hin- und her gerissene Mädchen, das sich am Ende weder entschließen kann, sein Kind auszutragen, noch mit ihm in seine Heimat Amerika zu gehen, wobei sie die Augen davor verschließt, dass sich die politische Lage immer weiter zuspitzt.
Ebenso glaubhaft vermitteln Sophie Wolff als Pensionswirtin Fräulein Schneider und Hagen Hegeler als jüdischer Gemüsehändler Herr Schultz das Schicksal des zweiten Liebespaares in diesem
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Musical, obwohl sie - noch - nicht in dem vom Autor gewollten etwas gesetzteren Alter sind. Auch für sie erfüllt sich ihr Traum am Ende auf Grund der politischen Entwicklungen nicht und auch Schultz verlässt nach einem judenfeindlichen Übergriff auf seinen Gemüseladen am Ende Berlin.
Hagen Hegeler im Programmheft: „Für den Teil des Feierns finde ich die Zeit echt cool, weil es einerseits eine sehr fröhliche Zeit war, allerdings merkt man im Musical im 2. Akt, dass die Stimmung deutlich gedrückter wird und das Leben einfach unangenehmer durch die aufkommenden politischen Probleme. Insofern hätte ich in den 20er Jahren noch gerne gelebt, aber in den 30er Jahren nicht mehr.“
Unverzichtbar für den Erfolg der Aufführung war natürlich auch das von den Kunst-Leistungskursen des Gymnasiums gestaltete sehr flexible und kreative Bühnenbild, das problemlos „live“ auf jeden der vielen Szenenwechsel umgestellt werden konnte.
Ebenfalls souverän agierte das glänzend besetzte Orchester unter der Leitung von Matthias Tietgen und unterstützte präzise die naturgemäß stimmlich eher wenig geschulten Akteure auf der Bühne.
Mit Hilfe des Schulvereins war im letzten Jahr auch die veraltete Licht- und Tontechnik der Aula auf den neusten Stand gebracht worden, so dass das Technik-Team unter Timo Marksfeld und Eike Dahle alle Register ziehen konnte und so die jeweils der Szene angemessenen Stimmungen entstehen ließ.
Lang anhaltender Beifall und viele „Vorhänge“ belohnten wieder einmal eine sehr gelungene Vorstellung eines Musicals am Kippenberg Gymnasium und schon beim Hinausgehen war die Vorfreude auf eine neue Inszenierung im Jahr 2026 beim Publikum zu spüren.
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