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Medieninstallation BEFEHLENGEHORCHENTÖTEN beim 3. Kulturschoppen
Ein schwarzes Telefon auf einem hohen Sockel stand im Zentrum des ansonsten weitgehend unmöblierten Raumes des Hauses FORUM KIRCHE in der Hollerallee 75, wo der 3. Kulturschoppen des Kulturkatasters Schwachhausen stattfand.
20 interessierte Zuhörer waren zur ersten Runde (es gab noch eine zweite Vorführung!) der künstlerischen Installation von Matthias Duderstadt gekommen, um mit Hilfe von Videoprojektionen, authentischen Texten und nachgesprochenen Aussagen von Zeitzeugen eine annähernde Vorstellung von dem zu bekommen, was in diesem Haus in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 passierte.
In dieser sog. „Reichskristallnacht“ wurde aus der Hollerallee 75, dem damaligen Dienstsitz der SA im Raum Weser-Ems, telefonisch die Bremer Terroraktion gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger organisiert. SA Obergruppenführer und Bremens Regierender Bürgermeister Böhmcker hatte den Befehl von München aus per Telefon durchgegeben an ein ebensolches Gerät, wie es nun symbolisch im Raum stand. Fünf ermordete Juden, hunderte Internierte und Drangsalierte - das war die schreckliche Bilanz jener Nacht in der Hansestadt.
Nachdem sich das Haus seit 1992 im Besitz der Bremischen Evangelischen Kirche befindet, recherchierte Ottmar Hinz vom Evangelischen Bildungswerk zur Geschichte des Gebäudes. Matthias Duderstadt setzte zum 9./10. November 2008, dem 70. Jahrestag der Reichsprogromnacht, die Ergebnisse in Form der künstlerischen Installation BEFEHLENGEHORCHENTÖTEN um.
Besonders eindringlich ist ihm dabei die Darstellung der Ermordung mehrerer Juden gelungen, deren Leiden nur mittelbar mit Hilfe von Aussagen der Mitbewohner dokumentiert werden. Makaber ist schließlich das Schreiben an die Leitung der von den Nazis zerstörten Synagoge, mit dem der jüdischen Gemeinde letztlich in obrigkeitsstaatlichem Amtsdeutsch die Kosten für die Einebnung der nunmehr baufälligen Gebäude in Rechnung gestellt werden.
„Die Installation ist seit 2008 mehrfach gezeigt worden, u.a. beim Schwachhauser Kulturspaziergang“, berichtete Ingeborg Mehser vom Evangelischen Bildungswerk. „Aufführungen der Medieninstallation gibt es ansonsten nur nach vorheriger Anmeldung und Absprache mit dem Evangelischen Bildungswerk.“
Nach der 20minütigen Präsentation verließen die Besucher sichtlich beeindruckt und nachdenklich den Kulturschoppen des Monats November - eine Veranstaltung, die gerade im Kontrast zur hektischen konsumorientierten Vorweihnachtszeit sicherlich noch länger in Erinnerung bleibt.
>> Hier geht's zu Berichten über den 1. Kulturschoppen und den 2. Kulturschoppen des Kulturkatasters Schwachhausen.
Joachim Kothe
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